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Einsatz der Multi-track SAR-Interferometrie zur Bestimmung von Beginn und Ausgangspunkt des Hebungssignales in Böblingen

Bild der Titelseite der Publikation: Einsatz der Multi-track SAR-Interferometrie zur Bestimmung von Beginn und Ausgangspunkt des Hebungssignales in Böblingen

Westerhaus, Malte; Wampach, Maryse

2018

Projektbericht - Abschlussbericht

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Beschreibung

Das Forschungsvorhaben L7515001 befasst sich mit einem Hebungs- und Schadensereignis im Stadtgebiet Böblingen, das vermutlich durch unzureichend abgedichtete Bohrungen für Erdwärmesonden in den Jahren 2006 und 2008 hervorgerufen wurde. Um die zeitlichen Zusammenhänge zwischen den Bohrzeitpunkten und dem Beginn der Hebungen zu quantifizieren wurden 62 Szenen des C-Band Radarsatelliten Envisat aus den Jahren 2003 bis 2010, aufgenommen von zwei benachbarten, einander überschneidenden Beobachtungsstreifen, nach der Methode der Persistent-Scatterer SAR-Interferometrie (PSI) prozessiert. Die erhaltene Bewegungskarte weist erhöhte Verschiebungsraten in den zwei bekannten Schadensgebieten im Ostteil der Stadt Böblingen aus, die als Hebungssignal interpretiert werden. Im südlicheren der beiden Hebungsgebiete können drei Bewegungsphasen dokumentiert werden:

  1. 03/2003 bis 10/2006: ein schwaches Hintergrundsignal von ca. 0.5 mm/Jahr
  2. 11/2006 (1.Bohrphase) bis 11/2008: erhöhte Verschiebungsraten von 2.6 mm/Jahr bis 7.3 mm/Jahr im westlichen Teil des Hebungsgebietes (Achalmstaße bis Kniebisstraße), etwas geringere Raten zwischen 0.9 mm/Jahr und 4.6 mm/Jahr im östlichen Teil
  3. 12/2008 (2.Bohrphase) bis 10/2010: Anstieg der Hebungsraten auf 17.5 mm/Jahr (Kniebisstraße) bis 20.3 mm/Jahr (nördliche Sudetenstraße, Wilhelm-Ganzhorn-Weg).

 

Die akkumulierten Hebungsbeträge zwischen Oktober 2006 und Oktober 2010 erreichen Werte von über 40 mm. Die Ergebnisse einer unabhängigen Auswertung des zweiten zur Verfügung stehenden Beobachtungsstreifen bestätigen diese Befunde; da sich die Qualität der beiden Datenstapel jedoch deutlich unterscheidet, kann aus der Kombination der Zeitreihen kein zusätzlicher Gewinn gezogen werden. Die spezifischen Fragestellungen der Studie wurden mittels einer Anpassung physikalisch sinnvoller Bewegungsmodelle an die Beobachtungsreihen einzelner PS-Punkte adressiert. Dabei wurde die Matlab-Toolbox Shape Language Modeling (SLM) (©John D?Errico) eingesetzt. Dieses Programmpaket ermöglicht unter anderem die Suche nach Trendänderungen in Zeitreihen. Die Modellbildung ist flexibel gestaltet, sodass sich auch a-priori Wissen, wie beispielsweise die Zeitpunkte der Bohrungen oder bekannte Eigenschaften des Hebungssignales, integrieren lässt. Wesentliche statistische Kenngrößen der abgeleiteten Modellparameter als Funktion von Signalrauschen, Akquisitionsintervall, Hebungsrate sowie verschiedenen Satellitenkonstellationen wurden auf Basis simulierter Daten evaluiert, und es wurde ein Bootstrapping-Verfahren zur Ableitung aussagkräftiger Streuungsmaße aus einzelnen Datenreihen entwickelt. Für die realen Messreihen der Fallstudie Böblingen liegt die Präzision, mit der der Beginn des Hebungsereignisses angegeben werden kann, zwischen 40 und 183 Tagen. Sie verbessert sich auf 19.7 Tage für das gewichtete Mittel über PS-Datenreihen in einem Abstand von bis zu 430 m von den Bohrungen. Der wahrscheinlichste Zeitpunkt für den Beginn der Hebungen fällt auf den 05.11.2006, 24 Tage nach Beginn der Bohrarbeiten. Dieser Zeitpunkt liegt zwischen zwei kurz aufeinanderfolgenden Bohrtätigkeiten (12.10.-18.10.2006, 18.01.-30.01.2007) und könnte auf eine Überlagerung der Einflüsse beider Bohrungen zurückzuführen sein. Eine andere Erklärungsmöglichkeit ist, dass die Bohrphase im Oktober 2006 das Hebungsereignis ausgelöst hat, aber eine gewisse Zeitspanne für die Etablierung des hydraulischen Kurzschlusses über die Ringraumverfüllung und das Eindringen einer für den Quellvorgang ausreichenden Wassermenge in die Gipskeuperschichten notwendig war. In beiden Fällen legt die Koinzidenz zwischen der ersten Bohrphase im Oktober 2006/Januar 2007 und dem Einsetzen des Hebungssignales im südlichen Schadensgebiet der Stadt Böblingen einen Kausalzusammenhang nahe; zweifelsfrei kann ein solcher Zusammenhang aus den geodätischen Beobachtungen alleine jedoch nicht abgeleitet werden.